Wir waren wieder bei der Norddeutschen Vereinsmeisterschaft

,,Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Dieser wunderschöne Ausdruck, der fälschlicherweise Mark Twain zugeschrieben wird aber dennoch einem unbekannten Geist entstammt, wird unter Historikern, selbsternannten Experten für allerlei und vielen weiteren Akteuren gerne genutzt, um Muster in kontinuierlichen Systemen wie Gesellschaft oder Wirtschaft zu beschreiben. Als ich mich hinsetzte um einen kleinen Artikel über den neuesten Ausflug der Raisdorfer Jugend zu verfassen, las ich den Artikel durch, den ich letztes Jahr zur norddeutschen Vereinsmeisterschaft geschrieben hatte und musste dabei an eben jenes Zitat denken, welches diesen Beitrag eröffnet hat. Ich werde nun den Artikel aus dem letzten Jahr Wort für Wort kopieren und dann nur die Eckdaten, Paarungen und einige weitere Kleinigkeiten abändern.

Wie schon letztes Jahr konnten wir bei der Landesvereinsmeisterschaft ein stabiles Ergebnis einfahren und einen Qualifikationsplatz für die nächste Stufe, die norddeutsche Vereinsmeisterschaft (NVM), ergattern. Dieses Jahr in der U14. Und so machte sich unsere Delegation bestehend aus Toshi, Chidera, Savas und Tom am Freitag, den 12.09.25 auf den Weg nach Magdeburg.

Da wir mit ,,pünktlich, zuverlässig, Garantie: Deutsche Bahn“ (tatsächlich ein ehemaliger Werbeslogan) unterwegs waren, kamen wir natürlich rechtzeitig an uns hatten keine Probleme…wer jetzt eine Pointe erwartet hatte den muss ich enttäuschen, denn wir sind nur 15 Minuten verspätet angekommen.

Die Stimmung war ausgelassen und trotz unserer späten Anreise um 21 Uhr dauerte es fast bis Mitternacht, bis die Jungs ihre Zimmer eingerichtet, Betten bezogen und schlafen gegangen waren. Ich erwartete schon einen Anruf der Jugendherberge (letztes Jahr bekam ich 2), aber da wir im 5. Stock einquartiert waren, war wohl selbst der Nachtwächter nicht Willens genug uns zu kontrollieren.

Tag 1

Bei 17 Mannschaften und auf Startlistenplatz 6 ging es für uns in der ersten Runde ausgerechnet gegen unsere Landeskollegen SV Bad Oldesloe. Diese Runde konnten wir ohne größere Probleme gewinnen. Am Ende siegten wir stabil mit 4-0.

Anschließend bekamen wir in der zweiten Runde direkt den Turnierfavoriten und späteren Sieger SV Empor Berlin zugeteilt, welches live an DGT-Brettern übertragen wurde. Recht schnell lagen wir durch die Bretter 1 und 4 mit 0-2 zurück, da sowohl Toshi als auch Tom in der Eröffnung Fehlgriffen. Chidera versuchte einen interessanten Abtausch und gab zwei Figuren für einen Turm und zwei Bauern und auch wenn der Computer dies für den Moment als gerechtfertigt ansah kippte im Verlaufe der Partie die Stellung zugunsten der beiden Figuren und auch Chidera verlor. Lediglich Savas stand kurzzeitig in einem Turmendspiel sogar auf Gewinn, doch als er den falschen Bauern vorzog war die Punkteteilung sicher. Sein Gegner Anker Müller bot Remis, was Savas ablehnte. Bereits letztes Jahr bot der gleiche Gegner gegen uns auch mehrfach Remis an, welches seinerzeit Chidera ebenfalls ablehnte und am Ende noch verlor. Natürlich kam es dieses Jahr exakt genau so und als Savas eine Taktik übersah musste auch er die Flaggen einstecken. Für uns eine bittere 0-4 Niederlage.

Da wir alle Hunger hatten und es in der Jugendherberge am Abend keine vernünftige Mahlzeit mehr gab, stand noch ein kleiner Spaziergang auf dem Plan, der mit einem Döner endete. Dabei suchten wir den gleichen Laden wie den aus dem Vorjahr auf und replizierten das Foto. Trotz der Niederlage waren sie danach wieder alle glücklich.

Tag 2

In der dritten Runde hatten wir mit dem SK Lehrte einen Gegner, der ein starkes Brett 1 hatte aber dahinter deutlich schwächere Spieler. Chidera und Savas bewiesen beide ihre Überlegenheit, indem sie ihre Gegner langsam und strategisch in den Untergang schoben. Toshi hingegen hatte eine absolut wilde Partie auf dem Brett und verlor früh eine Qualität durch ein Damenopfer seines Gegners. Im Angesicht einer wahrscheinlichen 2-1 Führung bot Tom in einem unklaren Schwerfigurenendspiel Remis um den Mannschaftssieg abzusichern und der Gegner akzeptierte. Allerdings kam Toshi noch mal zurück und organisierte einen Angriff, den sein Gegner nicht optimal verteidigte. Mit mehreren Figurenopfern, drei Brillianten Zügen (Quelle: Lichess) setzte er am Ende mit 12 Punkten Material weniger matt und konnte noch zum 3½-½ erhöhen. Die Partie ist sehr sehenswert und hier zu finden.

In der Nachmittagsrunde mussten wir dann erneut einen Rückschlag hinnehmen. Wir spielten gegen den SC Kreuzberg, der ebenfalls an Brett deutlich stärker aufgestellt war als an den restlichen Brettern. Folgend auf seine grandiose Angriffspartie vom Vormittag spielte Toshi erneut extrem aggressiv und spielte ohne Sinn ohne Nöte eines der unseriösesten Opfer das ich je gesehen habe. Die Grundidee war zwar interessant und gegen schwächere Gegner hätte es vielleicht sogar funktioniert aber sein Gegner mit DWZ 2050 verteidigte sich so mühelos, dass es nicht mal eine kleine Chance für Toshi gab. Währenddessen beging Tom in der Eröffnung einen strategischen Fehler der quasi die ganze Partie ausmachte und ebenfalls zum Verlust führte auch wenn Tom sich noch mit Händen und Füßen wehrte und vergeblich Chancen suchte. Als dann Chidera aus einer schlechteren Stellung zurückkommen konnte und seine Gegnerin niederrang, galt für Savas beim Stand von 1-2 Alles oder Nichts. Ein Remis reichte nicht und so opferte er im Endspiel mit Remistendenz 2 Bauern für einen Angriff. Zeitweise war dieser auch erfolgversprechend aber als seine Gegnerin einen Damentausch erzwingen konnte war der Drops gelutscht und seine Partie ging verloren.

Frustrierenderweise erreichte uns am Abend noch die Nachricht, dass Brett 1 von Kreuzberg keine Schulbefreiung erhalten hatte und abgereist war. Damit mussten sie in den folgenden Runden gegen einige unserer Konkurrenten mit einer deutlich schwächeren Mannschaft spielen als gegen uns.

Tag 3

Die Vormittagsrunde am dritten Tag versprach eigentlich spannend zu werden, da wir mit dem SV Osnabrück einen Gegner hatte, der auf dem Papier unserer Stärke gleich war. Tom schob bereits nach 16 Zügen Remis, als bei Toshi erneute die Fetzen flogen und bei Chidera und Savas aussichtsreiche Stellungen entstanden waren. Dabei verließ er kurzzeitig das Turnierareal um mich um Erlaubnis zu fragen. Falls sich jetzt jemand wundert, den Mannschaftsführer nach Remis zu fragen ist völlig normal und auch erlaubt aber das Turnierareal darf man eigentlich nicht verlassen. Bei der LJEM 2024 hat Jakob deswegen einmal verloren. Zum Glück hat niemand etwas gemerkt und selbst wenn, wären die Schiris zur kindgerechten Auslegung angehalten. Wie erwartet konnte Chidera und Savas ihre Partien gewinnen und damit war der Mannschaftssieg gesichert. Bei Toshi entwickelte sich die Stellung zum Remis.

Zu unserer Überraschung spielte wir nun in der Nachmittagsrunde nicht nach oben, sondern mit Königsspringer Hamburg gegen einen schwächeren Gegner. Dies war unsere Chance die Qualifikation für die deutsche Vereinsmeisterschaft zu erreichen, für die ein Sieg in dieser Paarung wahrscheinlich bereits genug gewesen wäre. Doch entgegen unserer Erwartung und Hoffnung kam es anders. Savas tauschte früh alles ab und ging ins Remis während Toshi von einem 300 DWZ schwächeren Gegner überrannt wurde und verlor. Tom wählte erneut in der Eröffnung einen strategisch schlechten Aufbau, der die Partie auf lange Sicht verlor und nur Chidera konnte mit einer überzeugenden positionellen Partie einen vollen Punkt erkämpfen. Nach dieser 1½-2½ Niederlage hatten wir unsere große Chance vertan.

Am Abend des dritten Tages waren wir wie letztes Jahr wieder Pizza essen. Die Mannschaft von Agon Neumünster und Carlo von Bad Oldesloe schlossen sich uns an und so genossen wir in entspannter Gesellschaft unsere Speisen.

Außerdem habe ich den Jungs beigebracht wie man Poker spielt. Nach dem Essen haben wir eine große Runde mit 8 Spielern zusammen mit Neumünster veranstaltet, die Chidera nach über 2 Stunden gewonnen hat. Wenn er also in 4 Jahren volljährig ist und dann täglich im Casino sein Geld verzocken sollte ist dieses Turnier der Anfang gewesen. Und sollte er dadurch reich werden möchte ich gerne was abhaben 😉

Tag 4

Eine letzte Runde stand noch aus und es galten folgende Bedingungen: Wir spielten gegen Werder Bremen. Wir hatten 6 Mannschaftspunkte. Wenn wir gewinnen und eine andere Paarung zu unseren Gunsten ausgeht würden wir auf den vierten Platz vorstoßen und damit noch die Qualifikation für die deutsche Vereinsmeisterschaft erreichen. Diese vier Voraussetzung sind exakt die gleich wie letztes Jahr. Der Unterschied war, das Werder Bremen nicht Setzlistenplatz 11 war, sondern Platz 2 und dass sie ihrerseits für einen Qualifikationsplatz nicht verlieren durften. Es war also starke Gegenwehr zu erwarten.

Es ging nicht gut los für uns denn in der Eröffnung griff Savas fehl und kam in eine schlechte Stellung. Bei Toshi stand wieder alles auf Angriff und Tom konnte in einer sehr geschlossenen Stellung einen Bauern gewinnen, hatte aber einen Gurkenläufer gegen einen starken Springer. Während Savas verlor und Chidera durch einen starken Angriff gewann musste sich Toshi erneut mit einem Remis zufriedenstellen, auch wenn er zwischenzeitlich Gewinnchancen hatte. Beim Stand von 1½-1½ musste nun also Tom irgendwie einen Sieg herausspielen. Insgesamt kämpfte er fast 5 Stunden gegen einen deutlich favorisierten Gegner und war der letzte Spieler im ganzen Saal und damit des Turniers. Dadurch war natürlich auch klar wie die andere Paarung ausgegangen war, die für eine eventuelle Qualifikation relevant war und leider war diese zu unseren Ungunsten verlaufen. Wir müssten Vierter werden und konnten nun selbst mit einem Sieg maximal noch Sechster werden. Zwar stand Tom etwas besser und hätte die Stellung noch weiter kneten können doch gab es keinen offensichtlichen Gewinnplan und die Zeit wurde langsam knapp. Im Hinblick darauf, dass unsere Chancen sowieso vom Tisch waren entschied Tom, dass er sich mit einem Remis gegen den 300 DWZ stärkeren Gegner zufrieden gibt und bot an. Der Gegner, ein 2-2 benötigend, nahm dankend an.

Schon im letzten Jahr spielten wir in der letzten Runde 2-2 und wie im letzten Jahr landeten wir damit ,,nur“ auf dem siebten Platz. Wir hatten durchaus unsere Chancen das Turnier besser zu beenden, aber insgesamt ist die Platzierung eine , mit der wir zufrieden sein können. Insbesondere Chidera spielte ein bärenstarkes Turnier, holte mit 6/7 Punkten nicht nur die meisten Punkte an Brett 2, sondern auch die meisten Punkte von allen Spielern überhaupt. Savas mit 3½/7 und Toshi mit 3/7 spielten wohl eher unterdurchschnittliche Turniere und hätten mehr herausholen können, aber ein Turnier zum Vergessen lieferten sie beide nicht ab. Auch Tom kann mit seinen 2½/7 durchaus zufrieden sein, insbesondere da er in den Runden gegen bessere Mannschaften oftmals deutlich stärkere Gegner vorgesetzt bekam.

Wie geht es weiter?

Die Qualifikation für die deutsche Vereinsmeisterschaft haben wir verpasst. In Gesprächen mit diversen Mannschaften wurde ich aber dazu ermutigt einfach mal einen Freiplatzantrag zu stellen. Wie wahrscheinlich es ist, dass wir akzeptiert werden kann ich nicht abschätzen und würde sie sogar eher als gering einschätzen. Allerdings können wir ja auch mal Glück haben. Die Mannschaft ist definitiv stark genug, um auch auf der höchsten Ebene eine gute Figur abzuliefern. Da können wir die alten Geschichten nicht wiederholen, sondern eine ganz neue verfassen.

Der Fokus liegt jetzt erstmal wieder auf dem Ligen die demnächst starten. Die Jugend hat am 28.09. ihren ersten Mannschaftskampf.